Funk Frei! – Ein Bericht über den Freifunk Ansbach


Große Regentropfen fallen auf den überdachten Teil des Ansbacher Bahnhofsplatzes. Laut prasselt es über Johannes Meyer, der soeben sein Handy aus der Jackentasche zückt. Noch ein skeptischer Blick in den grauen Himmel, dann widmet er seine Aufmerksamkeit seinem Smartphone.

„Einstellungen“ -> „WLAN“ -> „Aktivieren“

Er hält das Telefon hoch und sucht nach Empfang. Ein prüfender Blick auf das große gelbe Postgebäude links von ihm, darunter ein Mann im Regenmantel, der es ihm gleich tut.
Und da ist das Netzwerk: „ansbach.freifunk.net“. Eingeloggt.

Johannes Meyer mit einem Freifunkrouter
Johannes Meyer mit einem Freifunkrouter

Johannes Meyer, ist einer der Gründer der Ansbacher Freifunk Initiative. Er widmet sich jeden Tag mehrere Stunden dem gemeinnützigen Thema. Der 24-Jährige kommt aus Neuendettelsau und erklärt voller Stolz alles rund um Freifunk.

Überall auf dem Bahnhofsplatz finden sich Freifunkaufkleber. Sie verraten den Reisenden: „HIER – kostenfreies WLAN“. Ausgestrahlt wird dieses WLAN vom einem kleinem unscheinbaren weißen Kasten im Fenster des Postgebäudes.

Was steckt dahinter?

Freifunk ist die Idee, sich mit anderen zu vernetzen. Im Grunde ist auch erst einmal egal mit wem man sich vernetzt. Die Idee eines Netzwerkes, das erst einmal nichts mit dem Internet zu tun hat. Manche mögen das von LAN-Parties oder durch kleine Heimnetzwerke kennen.
Vernetzte ich mich mit einem Nachbarn, kann ich mit ihm, beziehungsweise seinem Computer, digital kommunizieren. Schließt sich wiederum sein Nachbar und ebenso dessen Nachbar an, scheint das Ganze schier grenzenlos. So eine Verbindung kann dann bis ins nächste Dorf oder zu einem Freund bestehen – ohne Internet.
Stichwort: Bürgernetz

So wird ein universelles Netzwerk geschaffen, dem jeder beitreten kann.
Sobald eine solche Verbindung besteht, lassen sich eigene Backups im Haus des Freundes speichern. Denn das beste Backup ist nutzlos, wenn es auf einem USB Stick gespeichert wird, welcher zusammen mit dem Notebook mit zur Arbeit oder in die Uni genommen wird. Wird die Tasche gestohlen, oder das Gerät fällt herunter – Die Originaldaten und das Backup sind hinüber.
Stichwort: Datensicherheit

Sinnvoll ohne Internet?

Ein solches Netzwerk ist unabhängig vom globalen Internet. Daraus entstehen ganz unglaubliche Vorteile:
1) Dieses neu geschaffene freie Netzwerk kann nicht abgeschaltet werden. Das klingt unvorstellbar, das Internet abzuschalten – aber es passiert, hier und heute, auf dieser Welt. Ein Beispiel: Nordkorea

2) Das freie Funknetzwerk wird nicht zensiert – keine staatliche oder private Einrichtung hat Zugriff. Auch das scheint im ersten Moment weit hergeholt – denken wir aber nur an Snowden und den NSA-Skandal, oder aber an die Zensur von Twitter in der Türkei.
Stichwort: Internetzensur

3) Freifunk hat keine Barrieren. Jeder kann Beitreten – ohne AGBs lesen oder Captchas (Text von einem Bild abtippen) ausfüllen zu müssen.
„freifunk.ansbach.net“ -> „Verbinden“ -> Fertig.
Daraus ergeben sich große Vorteile für Menschen mit (Seh-)Behinderungen, deren Geräte die Captchas oft nicht lesen können. Auch Menschen mit mangelnden Kenntnissen der hiesigen Sprache haben so eine Sorge weniger. Also keine Internetseite, die möglicherweise erst vom Benutzer „überwunden“ werden muss.
Stichwort: Barrierefreiheit

Aussenrouter Freifunk
Ein Freifunk-Aussenrouter

Weitere Funktionen

Trotzdem ist Freifunk an das Internet angeschlossen. Das Internet wird als weitere Dienstleistung verstanden, die Freifunk zusätzlich anbietet. Das Ganze baut die Liste der Vorteile weiter aus:

4) Das Freifunknetzwerk wird zu bestimmten Servern im Internet „getunnelt“ – erst bei diesen Servern „fallen die Nutzer raus“. So können ganz einfach Sperren des Providers umgangen werden: Denn manche Mobilfunkanbieter sperren gezielt Dienste, wie zum Beispiel Skype.
Stichwort: Providersperren

5) Das Freifunknetzwerk ist kostenlos. Jeder der einen Knoten betreibt, gibt nur einen kleinen Teil seiner Internetbandbreite ab – falls er das möchte. So kann Freifunk von Geringverdienern wie z.B. Studenten genutzt werden – ohne Sperren, ohne Kosten.
Ein toller sozialer Effekt, findet Johannes Meyer: „Am Ansbacher Bahnhofsplatz treffen sich Asylsuchende um mit Ihren Familien zu Skypen.“
Stichwort: Freies Internet

Wie steht es mit der Sicherheit?

Das Ganze funktioniert ist sehr einfach. Das Freifunknetzwerk ist ein Netzwerk, das den eigenen Internetanschluss „durchtunnelt“. Das Netzwerk baut eine verschlüsselte Verbindung zu einem Freifunkserver im Internet auf – nur dieser kann den Internetverkehr, den ein Nutzer von Freifunk verursacht, entschlüsseln. Die Daten werden „umgeleitet“. Daraus folgt, dass der vorhandene private Internetanbieter diese Daten nicht lesen kann. Somit kann der Internetnutzer, der seinen Anschluss mit Freifunk teilt, nicht belangt werden.
Stichwort: Störerhaftung

Die Freifunkorganisation selbst genießt den Status eines öffentlichen Providers. Bei öffentlichen Providern trifft die Störerhaftung nicht zu. Johannes Meyer sagt dazu: „Wenn jemand eine Bank ausrauben will und dazu mit der U-Bahn kommt, ist auch nicht die Verkehrsgesellschaft schuld.“ Die Polizei hat die Telefonnummer vom Freifunk Ansbach, sollte es dennoch Probleme geben. Seit 2002 haben sich laut Meyer zwei Fälle von Missbrauch ereignet.

Jeder kann zum Netzwerk beitragen

Privat Zuhause – oder gewerblich im Büro, Laden oder Café. Jeder kann einen Freifunkknoten betreiben – es müssen keine Anmeldedaten an Kunden oder Gäste ausgegeben werden. Sie müssen den Nutzern keine Anmeldeprozedur erklären, keine Einstiegsseite verlangt Zugangsdaten. Alle können direkt loslegen! Für gewerbliche Interessenten: Handel und Gewerbe in Ansbach

Viele Menschen nutzen den Freifunk oder stellen selbst Knoten bereit. Es handelt sich um die unterschiedlichsten Leute mit verschiedensten Berufen und Hobbies. So entsteht eine wachsende Community. Im Idealfall stellen noch Firmen mit schneller Internetleitung einen Knoten auf, und geben einen kleinen Teil an das gemeinnützige Projekt ab. So entsteht ein großer sozialer Austausch.
Stichwort: Sharing-Economy

Auch die Stadt Ansbach kooperiert mit dem Freifunk-Team. An öffentlichen Plätzen wie dem Martin-Luther Platz werden mehrere Knoten von der Stadt betrieben. Sogar die lokale Wirtschaft profitiert von dem Netzwerk. Bietet ein Geschäft ihren Kunden beim Shopping freies, einfaches WLAN an, steigert das den Wert des Geschäfts. Selbst der Tourismus kann davon profitieren.
Hier geht es zur: Karte der Freifunkknoten Ansbach

 

Ein privater und ein Freifunk-Router
Der Freifunk-Router (oben) wird einfach an den eigenen angeschlossen

Es ist denkbar einfach einen eigenen Freifunkknoten zu betreiben. Dazu wird ein handelsüblicher Router für etwa 20 Euro gekauft, für das Freifunknetzwerk eingestellt und im Geschäft oder zu Hause aufgestellt. Wie das genau geht, beschreiben die Ansbacher Freifunker detailliert auf Ihrer Internetseite.

 

Freifunk lebt vom Mitmachen: Also, Funk Frei!

Quellen:
1. Freifunk Ansbach
https://freifunk-ansbach.de

2. Johannes Meyer, Mitgründer Freifunk Ansbach

Video: Embedded YouTube
Bilder: Emanuel Wiesner, Nutzungsrechte liegen vor